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Offene Archive fordern Urheberrechtsreform und freie Zugaenge

Die Konferenz ARCHIVIA beleuchtete im Rahmen der Ars Electronica Probleme der Archivierung und Veröffentlichung von Medien- und Rundfunkinhalten im Internet. Die Veranstalter vom Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) und Radio FRO ziehen eine zufriedene Bilanz: Das Thema freier Zugang zu Wissen im Netz und damit verbundene urheberrechtliche Probleme konnten endlich auch aus Perspektive von Internetarchiven wie dem Sendungsarchiv der Freien Radios (CBA) oder der Österreichischen Mediathek ausführlich dargestellt werden. In Form einer Konferenzerklärung wurden Lösungsmodelle vorgeschlagen.

 

Kritik von ExpertInnen
Der Frankfurter Kulturanthropologe Manfred Faßler, die britische Ökonomin Ruth Towse und der Berliner Rechtswissenschafter Till Kreutzer kritisierten in ihren Vorträgen Ineffizienzen im momentanen Urheberrechtsystem. Hervorgehoben wurden Gesetzes- und EU-Richtlinienänderungen zur Schutzfristverlängerung und zu den verwaisten Werken. Kreutzer stellte neben der Verkürzung der Schutzfrist mit dem in Skandinavien bereits praktizierten und funktionierenden Extended Collective Licensing Modell und einem obligatorischen Europäischen Schrankensystem – also einer gesetzlichen Lizenz etwa für Kulturinstitutionen und öffentlich geförderte Rundfunkinhalte – zwei praktikable Lösungsmodelle vor.

 

Unzufriedenheit bei ArchivbetreiberInnen
In einer Podiumsdiskussion kritisierte Peter Ploteny von der Österreichischen Mediathek, dass viele digitale Inhalte der öffentlich-rechtlichen Mediensammlung aufgrund der Rechtslage weiterhin noch nicht online, sondern nur „eingesperrt“ vor Ort benützt werden können. Robert Suchar vom Verband der Freien Radios Österreich befand die momentane Lösung der um die Musikbeiträge beschnittenen Sendungsbeiträge auf dem Internetarchiv der Freien Radios (cba.fro.at) als nicht zufriedenstellend. Er hofft, dass Gesetzgeber, Verwertungsgesellschaften und Musikindustrie bald zu Lösungen für eine zeitgemäße Verwertungslösung bereit sind. Die grüne EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger berichtete, wie die Schutzfristverlängerung und die Richtlinie zu den verwaisten Werken nach massivem Lobbying der Musikindustrie unter fadenscheinigen Argumenten im EU-Parlament durchgedrückt wurden. Das wieder rückgängig zu machen wäre schwierig, müsse aber, ebenso wie die Durchsetzung einer Europäischen Verwertungslösung, passieren.

 

Konferenzerklärung
Am zweiten Tag der Konferenz wurden Best-Practice Modelle von Medien- und Rundfunkarchiven vorgestellt, sowie in mehreren Workshops der Status Quo und die Zukunft von „Open Archives“ betrachtet. Eine abschließende Konferenzerklärung, die neben den Veranstaltern auch von der österr. Mediathek und VertreterInnen Freier Radios aus Deutschland formuliert wurde, soll in weiterer Folge auf österreichischer und europäischer Ebene zu einem Positionspapier ausgearbeitet werden:

 

„Offene nichtkommerzielle digitale Rundfunk- und Medienarchive können einen wesentlichen Beitrag zur Meinungs-, Informations- und Wissensfreiheit leisten. Der freie und zeitgemäße Zugang zum kulturellen Erbe der teilweise öffentlich geförderten Inhalte muss nachhaltig ermöglicht werden. Um dafür den Aufwand für die Rechteverwaltung möglichst gering zu halten und Rechtssicherheit zu schaffen, fordern die offenen Archive, Lösungsmodelle umzusetzen: kurzfristig durch kollektive Lizenzvergütungsverträge, mittelfristig durch eine gesetzliche Schrankenregelung. Zusätzlich wird eine massive Verkürzung der Schutzfristdauer und eine Lockerung der Regelungen für verwaiste Werke gefordert. Der gesellschaftliche Wert der offenen nichtkommerziellen Medien- und Rundfunkarchive muss sich in angemessenen öffentlich geförderten Finanzierungsmodellen widerspiegeln. Von den Verwertungsgesellschaften erwarten sich die offenen Archive Verhandlungsbereitschaft, mehr Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit.